Orania, Berlin, März 2022

Orania, Berlin, März 2022

Orania, Oranienplatz 17, Berlin Kreuzberg

Brotgang

Möchte man einmal authentisch Pekingente in Berlin essen gehen, so empfehle ich auf jeden Fall die Orania. Bisher ist mir hier kein anderer Ort bekannt, wo man richtige Pekingente bekommen kann. Es gibt das 4-Gänge-Menü oder auch Gerichte à la Carte.

Bei der Zubereitung der Pekingente wird die Haut der Ente durch Aufblasen vom Körper getrennt, sodas die extra fettige Haut besonders knusprig wird. Die Ente wird mehrfach aufgehängt und getrocknet. Durch die aufwendigen und zeitraubenden Arbeitsschritte in der Zubereitung, ist es selten ein gutes Zeichen, wenn man das Gericht im Restaurant nicht 1-2 Tage vorher vorbestellen muss. Die Orania ist auf dieses Gericht spezialisiert, sodass eine Vorbestellung nicht notwendig ist. Ursprünglich war dies und die berichtete Authentizität des Gerichts damals für uns ausschlaggebend, dieses Restaurant auszuwählen. Die Tische sind mit westlichem Besteck und Stäbchen eingedeckt.

Dumpling in Dashi Brühe

Das Menü startet - anders als man es in Asien gewohnt ist - mit einer Suppe. Isst man das Menü in Asien, so kommt die Suppe gewöhnlich als eines der letzten Gänge. Hier ist es ein Dumpling mit vegetarischer Füllung. Die Ente kommt lediglich in der Brühe vor. Sehr intensiv im Geschmack und für mich ein guter Auftakt für die kommenden Gänge.

Die Ente wird am Tisch tranchiert

Der wichtigste Gang, die Entenhaut, wird am Tisch tranchiert. Ich mag dieses Showelement sehr und Betrügereien sind somit unmöglich. Einmal habe ich mit Freunden ein Pekingentenmenü in Berlin gegessen, wo nach der Präsentation der Ente in der Küche dann die Hälfte verschwunden war. Das Menü dort war aber spottbillig - da hätte man eigentlich im Voraus misstrauisch sein müssen. Generell fällt mir auf, dass in manchen Ländern in gehobenen Restaurants die Brands auffällig vorgezeigt werden. So wurde beispielsweise in Costa Rica immer der gebrandete Korken von teureren Weinen oder Champagner auf einem Schälchen auf den Tisch gelegt. Äußere Merkmale wie Etiketten kann man ja viel leichter austauschen :)

Das Tranchieren am Tisch dauert natürlich ein paar Minuten. Isst man dort mit mehreren Personen, so war meine Erfahrung, dass eine Ente vor dem Gast tranchiert wird und der Rest in der Küche. Für mich eine effiziente Lösung, da ich mir das einmal gerne anschaue, aber drei Mal hintereinander brauche ich das auch nicht :)

Die Entenhaut kommt mit Pfannkuchen, Hoi Sin Soße und Gemüse, wie z. B. Gurke und Rettich. Eine gängige Variante ist Pfankuchen mit Hoi Sin Soße, Gurke und Lauch. Hier bekommt man das Gemüse in einer eingelegten Variante, wodurch es noch würziger wird. Man isst die Ente, indem man sich zuerst den Pfannkuchen auf die Hand oder den Teller legt, Hoi Sin Soße darauf streicht und danach Zucker, Gemüse und Entenhaut darauf verteilt. Ist der Pfannkuchen belegt, rollt man diesen zusammen und isst die Rolle mit den Händen. Ich bin ein großer Fan davon, dass man in der Orania zu diesem Gang heiße Handtücher gereicht bekommt. Besonders selten gibt es das Zuckertöpfchen dazu in Deutschland. Ist für die meisten hier wohl zu extrem. Falls ihr einmal die Gelegenheit dazu bekommt, empfehle ich, mindestens eine Rolle auch mit Zucker auszuprobieren.

Der dritte Gang besteht aus der Entenbrust. Als Beilage gibt es eingelegten Pak Choi. Wer jetzt schon eine leichte Sättigung verspürt, sollte unbedingt die Portion nicht aufessen. Das gesamte Menü ist insgesamt sehr großzügig bemessen. Laut Aussage der Servicekräfte schaffen auch große Männer um die zwei Meter hoch die Portionen nur mit Mühe. Außerdem empfehle ich das Signature Dessert "Steinschlag". Dies ist im Menü nicht enthalten und ich teile es mir daher meistens. Aber verpassen möchte ich es auch nicht! :)

Der letzte Gang des Menüs ist gebratener Reis mit Gemüse und Entenfleisch von der Keule. Darauf - sehr authentisch asiatisch - ein rohes Eigelb. Wirklich lecker, aber aufgrund der Sättigung lasse ich hier meistens über die Hälfte übrig.

Zum Abschluss gibt es selbstgemachte Glückskekse.

Das Signature Dessert kann ich leider nicht auslassen. Ich bin wirklich ein großer Fan davon und happy, dass es als Signature einen ständigen Platz auf der Karte hat. Inspiriert durch die zerbrochenen Fenster (Berliner kennen die Gewalt der linksradikalen Szene, die überall in der Stadt sichtbar ist), die anscheinend auch nicht mehr ausgetauscht werden, wurde dieses Dessert kreiert.

Dessert Steinschlag

Die Cocktails in der Orania haben mich noch nie enttäuscht. Der Geschmack ist immer extravagant, hochwertig und besonders. Wer gerne die saftigen und mit Sirup gesüßten Cocktails trinkt, der sollte sich hier wahrscheinlich mit Cocktails zurückhalten. Wir hatten an diesem Abend die Golden Hour als Aperitiv. Es war ein sehr saurer Cocktail und perfekt für den Start. Ich wurde mit meinen besonderen Wünschen auch immer super beraten. Manchmal bekam ich auch einen individuell gemixten Cocktail, wenn sich auf der (umfangreichen) Karte nichts so richtig anbot. Ich kann die Bar hier wirklich empfehlen. Hier habe ich noch nie einen schlechten Drink bekommen.

Zum Abschluss möchte ich etwas zum Service sagen. Er war vor Corona hervorragend und auch nach den ganzen Lockdowns hat die Qualität aus meiner Sicht nicht nachgelassen. Ich weiß nicht, ob wir einfach Glück hatten, da wir nach den Lockdowns nur einmal hier waren. Jedenfalls war ich sehr beeindruckt, dass für mich keine nachlassende Qualität zu erkennen war. Da fällt mir in diesem Preissegment (sehr gehoben, aber keine Sterneküche) eigentlich kein Lokal ein, wo man das Gefühl hat, dass alles wieder fast auf dem Niveau vor Corona ist.

Eine kleine Meckerei möchte ich hier aber noch loswerden: Während der Lockdowns wurde kurzzeitig die Küche auf Delivery umgestellt. Die Gerichte wurden verändert und die Pekingente auf verschiedene kleinere Gerichte verteilt. Zugestellt wurden diese über den Dienstleister Wolt. Mir ist klar, dass die Zeit richtig kacke war und bin beeindruckt, wie flexibel sich manche gehobene Restaurants auf Lieferung umgestellt haben. Beim Italiener (den ich hier nicht abwerten möchte) ist es ungleich einfacher, die Gerichte auf Lieferessen umzustellen. Dennoch war die Kommunikation mit dem Kunden in meinen Augen miserabel. Bestellungen wurden häufig kommentarlos storniert - manchmal erst nachdem man schon eine Stunde zu Hause darauf gewartet hatte. Ein kurzer Standardtext in einer Nachricht wäre nett gewesen. Ich habe zu Beginn sehr häufig bestellt (zweimal pro Woche oder öfter) und war irgendwann so sehr verärgert über die kommentarlosen Stornierungen, dass ich nicht mehr bestellt habe und auch nach der Öffnung eigentlich nicht mehr ins Restaurant wollte. Auch hat sich die persönliche Abholung (welche ausdrücklich als Möglichkeit bei der Bestellung auswählbar war) einmal als sehr schwierig erwiesen (plus Unfreundlichkeit, die ich hier davor und danach zum Glück nie wieder erleben musste). Wäre nicht mein Mann gewesen, hätte ich aufgrund dieser Erfahrungen wohl nie wieder einen Fuß in dieses Restaurant gesetzt.